Parataxe, BILD und Schnellfeuergewehr

Google mag die Parataxe, die Hypotaxe nicht so sehr. Alles klar? Die Parataxe ist eine Aneinanderreihung selbstständiger Sätze, in der Regel Hauptsätze. Dementsprechend ist die Hypotaxe das Gegenteil. Sprich: ein verschachteltes Satzgefüge, eine Verbindung von Haupt- und untergeordneten Nebensätzen.
Die Vorliebe für die Parataxe hat einen einfachen Grund: Googles Roboter können Schachtelsätze nicht entschlüsseln. Wie weiland der Autor im Lateinunterricht sucht die Suchmaschine vergebens nach dem Verb, dem Objekt oder Sinn.
Für einen Texter stellt sich die Frage: „Wie lange soll ein Satz sein?“ und „Wie verständlich ist der Satz?“

Wie lang soll ein Satz sein?

Zur Beantwortung der Frage verlassen wir das Internet und wenden uns einer populären Publikation zu, die bekanntlich kaum gelesen, sondern wie eine Website durchforstet wird: der Bild-Zeitung. Laut Wolf Schneider bestehen 47 % der Sätze in der Bildzeitung aus 4 oder weniger Wörtern. Das ist kurz. Aber auch die Bild-Zeitung unterfordert ihre Leser nicht dauerhaft. Der durschnittliche Satz soll immerhin 12 Wörter haben. Wobei ich stichpunktartig ein paar Bild-Online-Texte auf ihre Satzlänge hin getestet habe und auf eine Länge von 8 – 10 Wörtern kam. Bild.de versucht es also noch kürzer.
Die Obergrenze des Erwünschten einer dpa-Meldung liegt bei 20 Wörtern, so Wolf Schneider. Reiners Stilfibel hält 18 Wörter für angemessen. Was der Bild (offline) recht, sollte meines Erachtens dem Webtexter billig sein. Sätze um die 12 Wörter lassen sich schnell erfassen. 20 Wörter sind okay. Mehr sollten es nicht sein.

Und wie verständlich ist der Text?

Für Google ist nicht nur die Länge des Satzes von entscheidender Bedeutung, sondern auch der Satzbau; Schachtelsätze geben der Suchmaschine Rätsel auf. Ein Satz wie, „Ich sah, wie der Fahrer, geblendet vom Sonnenlicht, seinen Wagen, silbermetallic und kraftstrotzend, gegen den Baum lenkte“, ist für Google ein Mysterium aus 17 Wörtern. Sprich: Subjekt, Verb und Objekt sollten in einer schnell nachvollziehbaren Relation stehen. Ein streng unwissenschaftlicher Test ergab, dass Google kaum Probleme mit einfachen Nebensätzen hat. Das heißt mit Sätzen, die aus einem Hauptsatz und einem angeschlossenen Nebensatz bestehen. Diese tauchen in den Snippets auf, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Nebensatz durch ein Komma oder einen Bindestrich angezeigt wird.
Kurze Sätze sind übrigens auch bei den Lesern beliebt. 2007 wurde zum Beispiel der Satz „Ilsebill salzte nach“ als der beliebteste deutsche Romananfang gewählt (Günter Grass, „Der Butt“). Und der beliebteste englischsprachige Romananfang stammt aus Melvilles ‚Moby Dick‘: „Call me Ishmael.“

Was spricht für die Parataxe, was dagegen?

Laut Wikipedia werden Parataxen in Texten verwendet, die sich nur auf das Wesentliche des Inhaltes konzentrieren. Da Webseiten-Texte sich grundsätzlich auf das Wesentliche konzentrieren sollten – sofern es sich nicht um Glossen handelt – ist die Parataxe nicht nur aus Suchmaschinensicht eine sinnvolle syntaktische Regel. Doch: Wer Hauptsatz an Hauptsatz reiht, bringt den Leser in Atemnot. Der Text wird unleserlich. Ein bekannter Trick parataktische Texte in etwas Lesbaren zu verwandeln, sind Aufzählungszeichen.

  • Der Text ist gut gegliedert.
  • Der Inhalt wird schnell erfassbar.
  • Der Leser wird nicht genervt.
  • Die Suchmaschine ist liebkost.

Auch hier gilt: alles in Maßen. Nicht selten findet man Seiten im Netz, die nur aus Aufzählungszeichen bestehen, als ob die Bullet points mit einem Schnellfeuergewehr in den HTML-Code geschossen wurden. So nicht.

Ein paar Tipps

  • Verwenden Sie viele Hauptsätze. Aber nicht ausschließlich.
  • Der Text sollte mit einem kurzen Hauptsatz anfangen. Das mag sowohl der Leser (siehe „Der Butt“ und „Moby Dick“) als auch die Suchmaschine, die den ersten Zeilen immer noch einen höheren Stellenwert zuordnet als den letzten Passagen. Insbesondere die Snippets werden in der Regel aus den ersten 200 Zeichen generiert.
  • Danach variieren Sie zwischen mäßig kurzen und mäßig langen Sätzen.
  • Setzen Sie gezielt Aufzählungszeichen ein. Jedoch nicht zu Textbeginn, da Google Wert auf generische Texte legt.
  • Aufführungszeichen am Textanfang könnten sogar zur Abwertung führen.
  • Diverse Sprachpolizisten weisen darauf hin, dass ein Satz so lang sein soll, wie sein darin beschriebener Gedanke es erfordert. Ein Gedanke, Singular.

Haben Sie den Text verstanden?

Zum Schluss habe ich den Text mit einem Lesbarkeitsprüfer getestet: Er entspricht einer durchschnittlichen Zeitung – also nicht der Bild – und ist demnach suboptimal. Seine Sätze sind zu lang. Der Leser sollte – mag man dem Tool glauben – die Berufsschule, Fachoberschule oder Sekundarstufe besucht haben. Und haben Sie den Text verstanden? Bestimmt.

Ein Gedanke zu „Parataxe, BILD und Schnellfeuergewehr“

  1. Ich lernte mal, dass ein Satz nicht länger als 15 Wörter sein sollte. Aber wie du schreibst, werden die Sätze sehr unterschiedlich aufgebaut. Bei der Bild-Zeitung glaube ich, dass die vielen großen kurzen Überschriften mitgezählt wurden.

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