SEO mit „Leichter Sprache“

Ab und an erhalte ich einen Auftrag, Texte in „Leichter Sprache“ zu verfassen, Entschuldigung, zu schreiben. Zum Beispiel für barrierefreie Websites. Die Texte informieren Menschen, die Lese- und Textverständnisprobleme besitzen. Aber: Haben wir nicht alle solche Probleme? Und: Hilft „Leichte Sprache“ bei der Suchmaschinenoptimierung? Ein Experiment.

Für wen ist ‚Leichte Sprache‘ gedacht:

  1. Menschen mit Lern-Schwierigkeiten
  2. Menschen mit Demenz
  3. Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen
  4. Menschen, die nicht so gut lesen können

Übersetzen wir dies auf den üblichen User:

  1. Menschen mit Lese-Schwierigkeiten
  2. Menschen mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches
  3. Menschen, die nicht so gut Schriftdeutsch verstehen
  4. Menschen, die nicht gut lesen wollen

Ich denke, dass trifft auf 80 bis 90 % aller Internet-User zu. Je nach Kontext. Denn der Mensch, der morgens Süddeutsche Plus liest, ist in seinem Nutzungs- und Leseverhalten nur entfernt verwandt mit demjenigen, der zwei Stunden später im Netz einen neuen Pullover sucht oder zur Ablenkung SPON nach Überschriften durchscrollt. Auch wenn es sich um physisch ein- und dieselbe Person handelt.

Die meisten Texte werden für den zweiten Typus geschrieben. Den Abgelenkten. Die Kurzangebundene. Den Jäger. Die Liederliche.

Aus eigener Erfahrung und Usertests wissen wir,

  • Menschen haben Schwierigkeiten, Wörter zu lesen und zu verstehen.
  • Sie lesen nur die Überschrift und den ersten Satz.
  • Komplexe Gedankengänge, Ironie oder Hinweise „zwischen den Zeilen“ nehmen sie nicht wahr.
  • Das Lesen eines Textabschnittes sollte nicht länger als 8 Sekunden in Anspruch nehmen.

Es spricht also aus User-Sicht viel dafür, in leichter Sprache zu schreiben.

Nutzer denken in „Leichter Sprache“

Nicht nur aus User-Sicht, auch aus Google-Perspektive. Denn Google-Nutzer denken in einfacher Sprache.

Nehmen wir Beispiele vom „Netzwerk Leichte Sprache“, um diese These zu überprüfen.
Ihre Schreibempfehlungen:

  1. Benutzen Sie einfache Wörter
    Beispiel: Erlauben statt genehmigen
  2. Benutzen Sie Wörter, die etwas genau beschreiben.
    Beispiel: ‚Bus und Bahn‘ statt ‚Öffentlicher Nahverkehr‘
  3. Benutzen Sie bekannte Wörter. Verzichten Sie auf Fachwörter
    Beispiel: selbstsüchtig statt narzisstisch (oder erklären Sie Fachwörter: ‚wie Donald Trump sein‘ statt ‚narzisstisch‘)
  4. Benutzen Sie immer die gleichen Wörter
    Beispiel: Schreiben Sie immer ‚Tablette‘, wechseln Sie nicht zwischen ‚Pille und Tablette‘
  5. Benutzen Sie kurze Wörter
    Beispiel: Bus statt Omnibus
  6. Benutzen Sie Verben
    Beispiel: ‚Morgen wählen wir‘ statt ‚Morgen ist Wahl‘
  7. Vermeiden Sie Passivkonstruktionen
    Beispiel: ‚Morgen singen wir‘ statt ‚Morgen wird gesungen‘
  8. Vermeiden Sie den Konjunktiv
    Beispiel: ‚Heute regnet es vielleicht‘ statt ‚Heute könnte es regnen‘

Der SEO-Blick

Betrachten wir diese Empfehlungen aus der Sicht eines Suchmaschinenoptimierers.

  1.  Erlauben vs. Genehmigen: Hier ist die Zahl der Suchanfragen fast identisch. Zudem ergeben die Begriffe als Einzelabfrage keinen Sinn. In vielen Fällen wird das einfache Wort häufiger gesucht werden, da es das verbreiterte ist.
    SEO: empfehlenswert
  2. Bus vs. ÖVNP: Bei der Einzelabfrage gibt es wieder keinen nennenswerten Unterschied, in Kombination schon. ‚Fahrplan Bus, Fahrplan Bus, Busplan“ 6-stellige Abrufe, während Kombinationen mit ÖVNP oder Öffentlicher Nahverkehr nicht existent sind.
    SEO: empfehlenswert
  3. Selbstsüchtig vs. Narzisstisch: Hier hängt es sehr von der Durchdringung des Fremdwortes in der Zielgruppe ab. Das ‚Netzwerk Leichte Sprache‘ empfiehlt beispielsweise, ‚Arbeitskreis‘ statt ‚Workshop‘ zu sagen. Aus SEO-Sicht fatal.
    SEO: Hängt vom Wort ab
  4. Gleiche Wörter: Auch wenn Google mittlerweile Synonyme gut erkennt, ist zumindest die Verwendung des gleichen Wortes in Überschriften sowie Meta-Texten und eine häufige Nutzung im Fließtext sinnvoll.
    SEO: empfehlenswert
  5. Bus vs. Omnibus: Menschen sind faul, daher nutzen sie sowohl in gesprochener als auch bei Abfragen meist die Kurzvariante.
    SEO: empfehlenswert
  6. Verben vs. Nomen: Verben machen Texte lebendig. So steht es in jedem Texter-Handbuch. Da aber viele Seiten auf Produkte und Dienstleistungen optimiert werden, es sich hierbei um Sachen handelt, hilft dieser Rat wenig.
    SEO: Hängt vom Wort ab bis nicht empfehlenswert
  7. Aktiv vs. Passiv: Nutzer suchen in Infinitiven. Die 1. Person und 3. Person Plural Präsens sind bei regelmäßigen Verben identisch mit dem Infinitiv. Hinzu kommt die Wortstellung bei Keyword-Kombinationen, die in der aktiven Schreibweise ebenfalls von Vorteil ist.
    SEO: empfehlenswert
  8. Aktiv vs. Konjunktiv mit Modalverben: Eine Konjunktivbildung mit Modalverben (können, dürfen, müssen etc.) bedingt den Infinitiv. Somit könnte diese Form einen SEO-Vorteil besitzen.
    SEO: nicht empfehlenswert

Wir sehen: Leichte Sprache und SEO sind Geschwister im Geiste. Fast immer hat die Verwendung von ‚Leichter Sprache‘ einen SEO-Vorteil. Dennoch: Wer Online-Texte ausschließlich in „Leichter Sprache“ verfasst, vergrault seine Leser. Es ist wie im Leben: Es kommt auf das richtige Mittelmaß an.

Zusammenfassung in ‚Leichter Sprache‘

Menschen im Internet sind abgelenkt. Menschen lesen nur 8 Sekunden am Stück. Google mag einfache Wörter. Schreibe in leichter Sprache. Menschen verstehen, was du sagen willst. Männer und Frauen finden dich besser in Google.